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    Die Riedlingerin setzt sich für Flüchtlinge ein und fördert die Integration

    Riedlingen, 19.10.2016 (Marion Buck, ©Schwäbische Zeitung)

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    Angefangen hat es mit Hausaufgabenbetreuung von Flüchtlingskindern vor einem Jahr. Heute hat sich Christa Minars Hilfe zu einem Vollzeit-Job ausgewachsen. Sie begleitet Flüchtlinge bei Behördengängen, hilft beim Ausfüllen von Formularen, beim Organisieren von Wohnungen und Jobs, unterweist in Mülltrennung und Kehrwoche. „Ich mache es gerne“, sagt sie, verhehlt allerdings nicht, dass sie sich manchmal die Haare raufen könnte wegen der deutschen Bürokratie. Die „Schwäbische Zeitung“ und die Kreissparkasse Biberach finden, dass Christa Minar zu den stillen Helden des Alltags gehört. Sie ist einer der „Besonderen Menschen“ aus dem Landkreis Biberach, die nun ausgezeichnet werden.

    Die Riedlingerin war 36 Jahre lang Pharmareferentin und musste schon von Berufswegen viel organisieren. Heute ist sie im Ruhestand. „Ich habe viel Zeit“, sagt sie. Angefangen hat ihr Engagement für Flüchtlinge im vergangenen Oktober, als sie zusammen mit ihrer Schwester Ingrid das Begegnungscafé in der Flüchtlingsunterkunft besuchte. Dort trug sie sich in die Liste „Freunde für Fremde“ ein und half im Café und bei der Hausaufgabenbetreuung. Bei den Besuchen kam sie mit Flüchtlingen ins Gespräch. Sie hörte von den Schicksalen und von Fluchtgeschichten. Bei manchen Erzählungen lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter.

    Bei einem der Café-Besuche bot Minar an, die Riedlinger Flüchtlinge zum Ausländeramt zu fahren, weil die Busverbindung ungünstig war. Seitdem fährt sie zum Jobcenter, ins Landratsamt, zum Arzt, zu Vorstellungsgesprächen oder zu Wohnungsbesichtigungen. Mit der Zeit kamen zu den Fahrdiensten andere Aufgaben dazu. So ist die Riedlingerin zwischenzeitlich Expertin bei der Antragstellung und beim Formulare ausfüllen. Kürzlich half sie einem jungen Syrer, der in Tübingen studieren soll. Allein für das Bafög mussten elf Formulare ausgefüllt werden. Um sich einzuschreiben, brauchte der zukünftige Student allerdings 140 Euro für die Anmeldegebühr. Geld, das er selbst nicht hat. Aber ohne Einschreibung kein Bafög. Sowohl Landratsamt als auch Jobcenter seien nicht zuständig. „Manchmal ist es zum Haare raufen“, sagt die 65-Jährige, die dem jungen Mann aus ihrer eigenen Tasche Geld für die Einschreibung, die erste Miete fürs Studentenheim und für die Kaution für das Studentenzimmer auslegte. Er stottere das Geld nun bei ihr ab, so die Riedlingerin.

    Bürokratismus erlebt Minar auch beim Anmelden von Neugeborenen. Ohne Heiratsurkunde oder syrischen Pass stellen die Standesämter keine Geburtsurkunden aus. Neue, in Deutschland ausgestellte Pässe, anerkennen die Behörden meistens nicht. „Als würden sie ihrem eigenen Amt nicht trauen“, sagt Minar. Syrische Pässe lägen allerdings oft monatelang in Nürnberg beim Bundesamt für Migration und die Heiratsurkunden bei den Behörden in Syrien. Ohne die Dokumente gebe es aber keine Geburtsurkunde fürs Kind und in der Folge dann auch kein Kindergeld, Erziehungsgeld und keine Anmeldung bei der Krankenkasse. Im Landkreis Biberach seien die Verwaltungswege besonders kompliziert, hat die Riedlingerin erlebt. In Ehingen und Sigmaringen gehe es dagegen einfacher.

    Behilflich ist Minar auch bei der Suche nach Wohnungen. Sie durchsucht die Kleinanzeigen, recherchiert im Internet. Seit Januar hat sie 300 Wohnungsanbieter angefragt. Sieben Wohnungen konnte sie an Flüchtlinge vermitteln. Möbel gebe es oft als Spenden. Meistens fehle es an Waschmaschinen, Elektrogeräten und an Einbauküchen. Da sei sie einer Riedlinger Küchenfirma sehr dankbar, die ihr alte Küchen zur Verfügung stelle. Zur leichteren Integration unterweist Minar die Flüchtlinge auch in Mülltrennung und Kehrwoche.

    So schwierig wie die Wohnungssuche ist auch die Suche nach Jobs und Praktika. Minar appelliert an die Betriebe, Flüchtlingen eine Chance zu geben. Gut findet sie, dass Städte und Gemeinden Ein-Euro-Jobs anbieten. „So sehen die Flüchtlinge wie die Arbeitswelt hier funktioniert“, sagt sie.

    Mittlerweile ist Christa Minar jeden Tag unterwegs. Sie braucht einen Terminkalender, obwohl sie Rentnerin ist. „Ein Fulltime-Job“, sagt sie und fügt an, dass sie es sehr gerne mache. „Ich mache das nicht nur für die Flüchtlinge“, betont sie. „Ich mache das auch für mich. Es hält mich fit im Kopf. Und ich mache das für uns alle. Denn, wenn die Integration nicht klappt, haben wir alle ein Problem.“

    Unterschrift Foto: Christa Minar und zwei ihrer Schützlinge, die sie auf dem Weg der Integration begleitet Bild: Thomas Warnack, ©Schwäbische Zeitung