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    Der in Biberach lebende Omar Reguigui ist einer der besten tunesischen Kickboxer

    Biberach, 06.06.2016 (Andreas Wagner, ©Schwäbische Zeitung)

    Biberach sz
    Omar Reguigui zählt zu den besten Tunesiern im Chinesischen Boxen und Kickboxen. Doch im vergangenen Jahr kehrte er seiner Heimat den Rücken und hofft auf eine Zukunft in Deutschland. Als Athlet, der noch viel erreichen will, aber auch als Bürger, der sonst keine Perspektiven sieht. „Ich will mich hier integrieren und mich einbringen“, sagt der 23-Jährige, der seit November in Biberach lebt. „Es ist meine letzte Chance.“

    Zurück nach Tunesien wolle und könne er nicht mehr, dort gelte er als „Verräter“, sagt Reguigui. „Vom Flughafen würde ich direkt ins Gefängnis wandern.“ Als Mitglied des Nationalteams sollte man nicht in anderen Ländern kämpfen, so der 23-Jährige.

    Seine nordafrikanische Heimat ist ihm fremd geworden. In Europa weiß man wenig von Tunesien, obwohl es ein Reiseland ist. Touristen, die ins Land kommen, fänden auch alles vor, sagt Reguigui. „Aber sie wissen nicht, wie die Leute leben.“ Und noch weniger, worunter sie leiden. Der 23-Jährige spricht von Mangel an Demokratie, von Korruption und Vetternwirtschaft sowie der Recht- und Machtlosigkeit der Bürger. Selbst erfolgreiche Sportler erfahren von der Regierung keine Wertschätzung, so Reguigui. „Als Athlet erhält man keinen Respekt.“ Und kaum Unterstützung.

    Erfolge bei Meisterschaften

    Dabei zählt er zu den Besten im Kickboxen sowie im Chinesischen Boxen – einer Sportart, bei der der ganze Körper eingesetzt wird und die Methoden aus verschiedenen Stilen vermischt. Im Chinesischen Boxen sei er fünfmal tunesischer Meister und einmal Afrikameister gewesen und habe WM-Bronze geholt, als Kickboxer habe er drei nationale Titel gewonnen, sagt der 23-Jährige. Die World Kickboxing Federation führte ihn in der Gewichtsklasse „Leichtmittelgewicht“ an Position elf.

    Reguigui, der als Sohn eines Tunesiers und einer Französin in Tunis aufwuchs, wusste früh, was er wollte. Schon als Kind zog es ihn zum Sport. Um 5 Uhr sei er aufgestanden und habe vor Schulbeginn trainiert, sagt er. Auch in den Pausen und nach der Schule lag er nicht auf der faulen Haut. Um aber unter professionellen Bedingungen zu trainieren, „dafür hatten wir nicht genug Geld“. Dabei brauche man Training, gute Ernährung und medizinische Betreuung, „doch das muss man alles selbst zahlen“. Ganz zu schweigen von der Ausrüstung. Handschuhe, die er für seinen Sport benötigt, habe er sich leihen müssen, sagt Reguigui, der als 17-Jähriger sein eigenes Geld verdiente. Doch der Kampf gegen den Mangel in Tunesien endete damit nicht. Aus diesen Gründen, sagt der 23-Jährige, hätten viele seiner Sportkameraden aufgegeben.

    Mitwirken in einem Videoclip

    Reguigui blieb dabei. Er ging, auf Einladung eines Trainers, für mehrere Monate nach Russland, nahm dort an Turnieren teil. „Das waren gute Erfahrungen, die mich stärker gemacht haben“, sagt der Tunesier. In jener Zeit wirkte er auch als Schauspieler in einer Dokumentation über Gladiatoren und in einem Videoclip der populären libanesischen Sängerin Carole Samaha mit.

    Der junge Tunesier war in einigen europäischen Ländern, doch nirgendwo habe er als Sportler und Mensch so viel Respekt und Hilfe erfahren wie in Deutschland, sagt Reguigui. Für ihn stand fest: Hier will er sich eine Zukunft aufbauen. Ihn fasziniert, wie die Deutschen leben und Erfolg haben – nicht nur im Sport, sondern vor allem auch wirtschaftlich. „Die Bürger hier erfahren von Anfang an Gerechtigkeit und haben Zugang zu Bildung“, erklärt sich Reguigui die deutschen Erfolge. Er stellte einen Asylantrag, kam nach Biberach, wo er in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt. Er trainiert bei der TG Biberach oder im Fitnessstudio, soweit es seine begrenzten finanziellen Mittel zulassen.

    Für ihn sei Deutschland „die letzte Hoffnung“, sagt Reguigui. „Aber langsam beginne ich sie zu verlieren.“ Als Flüchtling sind seine Möglichkeiten eingeschränkt. Dabei würde er gern in Deutschland bleiben, professionell seinem Sport nachgehen und weitere Erfolge erzielen – am liebsten für die neue Heimat. „Ich würde alles tun für dieses Land, würde mein Bestes geben, um die deutsche Fahne hochzuhalten“, sagt Reguigui, der seinen Traum von einer erneuten WM-Teilnahme oder von den olympischen Spielen nicht aufgeben will. Mit 23 ist er dafür auch nicht zu alt.

    Er würde Kickboxen und Chinesisches Boxen gern populärer machen, als Trainer arbeiten, wozu er ausgebildet ist. Doch für ein Leben in Deutschland würde er jede Arbeit annehmen, egal was, auch Tellerwäscher. „Das Einzige, das ich zurückgeben kann für die guten Sachen, die ich hier erfahren habe, ist Arbeit und damit Erfolg zu haben“, sagt Reguigui.

    Man müsste ihn nur lassen.

    Unterschrift Foto: Der in Biberach lebende Omar Reguigui ist einer der besten tunesischen Kickboxer. Bild: privat, ©Schwäbische Zeitung