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    Flüchtlinge stellen die Biberacher Fußballvereine vor eine große Herausforderung

    Biberach, 13.06.2016 (Andreas Wagner, ©Schwäbische Zeitung)

    Biberach sz
    Die Ankunft vieler Flüchtlinge hat die Sportvereine vor eine große Herausforderung gestellt. Sport war schon immer ein geeignetes Spielfeld für Integration und die hohe Zuwanderung innerhalb weniger Monate wirkte sich in der Folge auch auf die Vereine aus – besonders auf die Fußballvereine. In Biberach erlebten der FVB und der FC Wacker einen Zustrom, der den Trainingsbetrieb verändert hat.

    Im vergangenen November seien die ersten Flüchtlinge erschienen, sagt Michael Münch, der in der zurückliegenden Saison zusammen mit Armin Hertenberger die Kreisliga-Mannschaft des FV Biberach trainierte. Nachdem im Sommer und Herbst 2015 Tausende nach Deutschland geflohen waren, war es nur eine Frage der Zeit, bis einige von ihnen bei Sportvereinen auftauchen würden. Den ersten Flüchtlingen beim FVB folgten rasch weitere. Anfangs „haben drei, vier mittrainiert, das war kein Problem, aber es wurden immer mehr“, so Münch. Den FVB-Vorsitzenden Heinz Remke verwundert nicht, dass immer wieder neue Flüchtlinge zum Fußballtraining kommen. In den Flüchtlingsunterkünften „spricht sich das herum wie ein Lauffeuer“.

    An einem Abend im Mai, als die Saison sich dem Ende zuneigte, waren fast zehn Flüchtlinge, die meisten aus Gambia, im Training der „Zweiten“ des FVB. Einige zum ersten Mal. „Vier kenne ich gar nicht“, staunte Münch. Die Trainer sehen das Interesse mit gemischten Gefühlen. Einerseits hilft es, weil es die aufgrund berufs- und studienbedingter Abwesenheit von Spielern bisweilen niedrige Trainingsbeteiligung erhöht. Andererseits sind durch den Zulauf die Anforderungen für Münch und Hertenberger größer. Wenige Flüchtlinge halten sportlich auf Anhieb mit – spielerisch und taktisch gibt es Defizite. Hinzu kommt die Verständigung. Kaum ein Flüchtling spricht gut Deutsch, die Kommandos erfolgen auf Englisch, teils werden Übungen mit Gesten erläutert.

    Bis zu 40 Spieler auf dem Platz

    Nicht anders läuft es beim FC Wacker Biberach, der ebenfalls am Erlenweg trainiert. Im Durchschnitt sei ein halbes Dutzend Flüchtlinge im Training, sagt Predrag Milanovic, der Trainer des A-Kreisligisten. In der Spitze waren es zehn Flüchtlinge, womit an manchen Trainingsabenden bis zu 40 Spieler für die erste Mannschaft und die Reserve auf dem Platz standen. „Wir konnten uns kaum umdrehen auf dem Platz“, so Milanovic, der im Training von Dimitri Enns unterstützt wird. „Es war nicht immer einfach, aber wir haben es hingekriegt.“ Auch wenn er angesichts der großen Zahl an Spielern im Training Abstriche machen musste, wie er sagt.

    Einige Flüchtlinge kamen auch schon in Punktspielen zum Einsatz. Er wolle sein Talent in der Liga unter Beweis stellen, habe ihm einmal ein Flüchtling nach wenigen Trainingseinheiten gesagt, erinnert sich Münch. „Die Jungs sind aufs Spiel.“ Doch bis zur Spielberechtigung ist ein Aufwand erforderlich und vergeht viele Zeit. „Bürokratie pur“, sagt Milanovic. Über die Fifa müssen zunächst die Verbände der Heimatländer der Flüchtlinge kontaktiert werden. Was dauert – wobei keine Antwort garantiert ist, was bei Ländern im Bürgerkrieg nicht erstaunt. Wenn innerhalb einer Frist keine Rückmeldung erfolgt, ist die Freigabe erteilt.

    Die Trainer von Wacker und FVB verhehlen nicht, dass Flüchtlinge ein Gewinn sind für die Vereine – nicht nur, weil sie mit ihnen neue Spieler bekommen. „Das Training ist nicht immer einfach, aber es macht auch Spaß“, sagt Michael Münch. „Wir haben bisher keine negativen Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht. Die Jungs haben sich dermaßen gut integriert und nehmen nicht nur am Fußball, sondern auch am Vereinsleben teil“, so Predrag Milanovic. Wie Münch verweist auch er auf den Wert des Sports zur Aufnahme von Menschen aus anderen Ländern und Kulturkreisen. „Sportvereine sind der ideale Weg, jemanden zu integrieren“, sagt Milanovic, in Biberach geboren und aufgewachsen, aber selbst ein Kind von Einwanderern.

    Langfristig planen können die Vereine jedoch nicht mit den Flüchtlingen – zumindest nicht, so lange unklar ist, wo deren Zukunft liegt. Beim FV Biberach hatte zuletzt nur ein Flüchtling die Zusage, dass er in Biberach bleiben kann, sagt der FVB-Vorsitzende Heinz Remke. Die Ungewissheit „ist ein Problem“, sagt auch Wacker-Trainer Milanovic. Er nennt als Beispiel einen Syrer, der am Training teilnahm – bis er nach Bochum umziehen musste. „Er hatte sich gerade etwas integriert.“ Bei vielen anderen Flüchtlingen sei noch keine Entscheidung über deren Asylantrag gefallen, so Milanovic.

    Beim FC Wacker Biberach und beim FV Biberach wird man sehen, wie viele der Trainingsgäste der vergangenen Monate auch in der kommenden Saison noch dabei sein werden. Und auch, wie viele neu dazustoßen.

    Unterschrift Foto: Armin Hertenberg (links vorn), der zusammen mit Michael Münch die Kreisliga-Mannschaft des FV Biberach trainiert, sagt seine Übungen nicht mehr nur auf Deutsch an, sondern wegen des hohen Anteils an Flüchtlingen auch auf Englisch. Bild: Andreas Wagner, ©Schwäbische Zeitung