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    Polizei bestätigt Behauptungen über vermeintliche Straftaten von Flüchtlingen nicht

    Biberach, 27.07.2016 (Gerd Mägerle, ©Schwäbische Zeitung)

    Biberach sz
    Nicht bestätigen kann das Polizeipräsidium Ulm Behauptungen über gezielte sexuelle Belästigungen weiblicher Besucher des Schützenfests durch Flüchtlinge, worüber vor einigen Tagen in der Facebookgruppe „Biberach passt auf“ zu lesen war. Auch ein dort geschilderter „Raub an einem Obdachlosen“ durch „drei Neubürger“ stellt sich nach Aussagen der Polizei anders dar.

    Die SZ-Redaktion ist in den vergangenen Tagen von mehreren Seiten auf Behauptungen aufmerksam gemacht worden, die in der geschlossenen Facebookgruppe „Biberach passt auf“, die derzeit über rund 5300 Mitglieder verfügt, verbreitet wurden.

    So ist in einem Eintrag vom 22. Juli in Bezug auf das Schützenfest zu lesen, dass man „von dauernden Anmachen und Belästigungen durch Flüchtlinge überwiegend muslimischer Herkunft in der ganzen Stadt“ höre. „Offensichtlich positionieren sich gezielt Gruppen oder einzelne Personen an den Wegen vom und zum Schützenfest“, heißt es dort weiter. Eine klare Tendenz sei zu erkennen.

    Uwe Krause, Sprecher des Polizeipräsidiums Ulm, ist eine solche Tendenz nicht bekannt. „Wir stellen allerdings gerade fest, dass in allen Regionen, in denen größere Feste laufen, solche Gerüchte im Umlauf sind. So habe sich zum Beispiel eine vermeintliche Vergewaltigung durch eine Syrer in Göppingen als Falschbehauptung erwiesen.

    In Biberach sind der Polizei während des Fests drei sexuelle Belästigungen angezeigt worden, alle in der Nacht vom 23. auf den 24. Juli. Im ersten Fall sei eine 24-Jährige Frau am 23. Juli gegen 22 Uhr im Bereich einer Toilette auf dem Gigelberg von einem etwa 25 bis 30 Jahre alten Mann mit dunklem Teint unsittlich angefasst worden, als sie dort in der Schlange stand, so Krause. Als er von Umstehenden angesprochen worden sei, sei er geflohen.

    EU-Ausländer, keine Flüchtlinge

    Gegen 23 Uhr hätten zwei betrunkene Brüder im Alter von 51 und 27 Jahren eine 56-Jährige an der Ecke Wieland-/Gymnasiumstraße sexuell beleidigt und unsittlich berührt. Sie wurden von der Security festgehalten un der Polizei übergeben. Bei beiden habe es sich um in Biberach wohnhafte EU-Ausländer gehandelt und nicht um Flüchtlinge.

    Der dritte Fall ereignete sich laut Polizei am 24. Juli gegen 1 Uhr morgens. Dort wurde eine 18-Jährige auf dem Fußweg von der Gaisentalstraße hinauf zum Gigelberg von zwei stark alkoholisierten Männern sexuell beleidigt und begrapscht. „Die Polizei hat die beiden erwischt, sie wurden durch eine Gegenüberstellung von der Frau identifiziert“, so Krause. Auch hierbei handelte es sich laut Polizei nicht um Flüchtlinge, sondern um in Ulm wohnhafte EU-Ausländer.

    Der Polizeisprecher will nicht ausschließen, dass in der Schützenwoche weitere Frauen unsittlich angesprochen worden sein könnten. „Uns ist aber nichts bekannt. Wir empfehlen den Leuten, sich zu melden, sollte etwas vorgefallen sein“, sagt Krause. Er sei in diesem Jahr selbst einige Male auf dem Schützenfest unterwegs gewesen, ihm sei nichts Derartiges zu Ohren gekommen. „Für mich ist das Stimmungsmache“, sagt er.

    Nicht mit den polizeilichen Erkenntnissen deckt sich auch die Beschreibung eines Falls, die am 15. Juli in besagter Facebookgruppe gepostet wurde. Dort ist davon die Rede, dass „drei Neubürger“ am 10. Juli gegen 17.30 Uhr einen hilflosen Obdachlosen beraubt hätten, der auf einer Parkbank im Wielandpark geschlafen habe. Der Schreiber und weitere Zeugen hätten die Polizei gerufen, die erst nach einer halben Stunde am Tatort erschienen sei. Zur großen Überraschung hätten aber Polizei und Medien nach dem Vorfall nicht darüber berichtet oder nach Zeugen gesucht. In dem Facebookeintrag gibt der Schreiber das Aktenzeichen des Falls an und spekuliert über „Medienmanipulation in Biberach“.

    Die SZ hat mit diesem Aktenzeichen beim Polizeisprecher nachgefragt. Der bestätigt den Eingang des Notrufs am 10. Juli um 17.42 Uhr. Bei der vermeintlich geschädigten Person habe es sich aber um keinen Obdachlosen, sondern um einen polizeibekannten betrunkenen Mann gehandelt, der auf der Bank geschlafen habe. „Die Zeugen haben zwar drei Männer in seiner Nähe gesehen, nicht aber die Handlung eines Raubs“, so Krause. Als sie später gesehen hätten, dass der Mann etwas suche, seien sie zu ihm geeilt und hätten die Polizei gerufen. „Das war auch absolut richtig gehandelt“, sagt Krause.

    Die Polizei habe aufgrund der genauen Personenbeschreibung bereits fünf Minuten später mit drei Streifenwagen die Suche nach möglichen Tätern aufgenommen und Flüchtlingsunterkünfte in der Stadt überprüft – ohne Erfolg. Um 17.56 Uhr, also 14 Minuten nach dem Notruf, seien die Beamten laut Protokoll bei den Zeugen am Tatort gewesen.

    Konkrete Zweifel an Raub-Version

    Bleibt die Frage, weshalb über den Fall von Polizeiseite nicht berichtet oder nach weiteren Zeugen gesucht wurde? „Nach der Vernehmung des vermeintlichen Opfers gibt es konkrete Anhaltspunkte, die es fraglich erscheinen lassen, dass ihm tatsächlich etwas geraubt wurde“, so Krause.

    Unterschrift Foto: Bild: , ©Schwäbische Zeitung